Johannes Anders
Musik - Journalist

MAGDA VOGEL

Von Johannes Anders 

Magda VogelMagda Vogel wurde Anfang der achtziger Jahre mit der Formation UnknownmiX bekannt, in der sie zusammen mit Ernst Thoma, Synthesizer, Knut Remond, Schlagzeug, und dem Typografen Hans-Rudolf Lutz eine Art Fusion von Rock- und Improvisationsmusik entwickelte,  die z.B. am Jazzfestival Willisau begeisterte. Neben zahlreichen Tourneen durch ganz Europa produzierten UnknownmiX mehrere LP's, CD's und ein 45-minütiges Live-Video for eyes and ears. Danach widmete sie sich anderen Projekten wie dem avantgardistischen Vokaltrio Eisgesänge mit Dorothea Schürch und Brigitte Schär, der Poprockband DominaDea oder der Funkjazzband Jick the Rapper, mit der sie 1995 auf Russlandtournee ging. Danach konzentrierte sie sich auf Zürcher Projekte wie z.B. den Vogelfreien Frauenchor oder das Liederprogramm Songs'n'Roses mit der Pianistin Cristina de Simoni und wirkte in zahlreichen Improvisationskonzerten mit. Seit 2000 tritt sie mit dem Pianisten John Wolf Brennan mit sculpted sound - eine konkrete klangreise auf, ein Projekt vertonter konkreter Poesie von Eugen Gomringer, Hans Arp, Ernst Jandl, Eveline Hasler und André Thomkins, das inzwischen bei altrisuoni erschien (siehe J'N'M, Nr. 5/2005, S. 39). Zur Zeit arbeitet Magda Vogel an einer Stimmperformance, tritt zusammen mit der Berliner Elektroakustikerin Inge Morgenroth auf, unterrichtet Musik, erteilt Workshops und leitet den Chor die vogelfreien. 


DIETER AMMANN (*1962):

1.) DONKEY KONG'S MULTISCREAM: ORDER NOW (rec. 2005, D. Ammann, tp, keyb., synth., Roland Philipp, sax, Chris Musik, g, Thomy Jordi, b, Andy Brugger, dr, Andi Pupato, perc. Privat-CD).

2.) TECCHLER TRIO: APRÈS LE SILENCE / DIETER AMMANN – 2004/05 (Lucerne Festival Sommer 2005 "Neuland", Debut 1, rec, 23.8.05, Lukaskirche, Auszug. Esther Hoppe, viol, Maximilian Hornung, cello, Benjamin Engeli, p. Aufn. SR DRS2 ).

Magda Vogel: Das zweite Beispiel gefällt mir besser, scheint auch aktueller zu sein. Beim ersten – erinnert mich an die 80er Jahre - hat jemand wahnsinnig Freude an Effektgeräten. Wenns ums Thema Hektik oder Unruhe gehen sollte, finde ich’s beim zweiten viel dynamischer gelöst; es hat zudem etwas Plastisches, Bildhaftes, wie zwei Wege, die nicht parallel laufen sondern sich überlagern, klingt wie improvisiert, ist aber sehr präzis gespielt (vgl. dazu Bericht vom Lucerne Festival-Konzert in diesem J'N'M.).


LUCIANA GALEAZZI:

UNA SERENATA ("La Banda", rec. 1996 Donaueschinger Musiktage, L. Galeazzi, voc, Michel Godard, tba, Banda Cittá Ruvo D i Puglia, Leitg. Bruno Tommaso. Enja-2CD).

MV: Eine spannende Kombination, die folkartige Stimme zusammen mit der Tuba. Etwas irritiert hat mich der plötzliche Einstieg des Free-Orchesters, das ich jedoch auch spannend fand … JA: Das war ein Auszug aus einem langen Stück, das ich kurz nach Einstieg der Banda leider ausblenden musste.


K l a s s i k – F a c e t t e n:

1.) CATHY BERBERIAN: CON CHE SOAVITÀ

(" … sings Monteverdi, rec. 1975, C. Berberian, voc, Concentus Musicus Wien, N. Harnoncourt. Teldec-CD).

2.) MARIA CALLAS: VISSI D'ARTE/TOSCA

("Callas Forever", rec. 60er Jahre,  M. Callas, voc, Orchestra del Teatro alla Scala  di Milano, V. di Sabata. EMI-CD).

3.) RENÉ FLEMING: WOZZEK / MIDNIGHT SUN

("Haunted Heart", rec. 2005, R. Fleming, voc, Fred Hersch, p. Decca-CD).

4.) CECILIA BARTOLI: UN PENSIERO NEMICO DI PACE / G.F. HÄNDEL

("Opera Proibita", rec. 2004/5, C. Bartoli, voc, Les Musiciens Du Louvre, Marc Minkowski. Decca-CD).

5.) CATHY BERBERIAN: STRIPSODY

(Donaueschinger Musiktage 1968, C. Berberian, Stimme. Aufn. SWF).

Magda VogelMV: Eine unglaubliche Hochleistung in Nr. 4, toll das mit den Räumen spielen, das unkonventionell in die Tiefe gehen, das nicht so Geschliffene …; schön, wie ungezwungen die Jungen heute mit der Klassik umgehen –  ist vermutlich die Bartoli. Nach dem ersten Ton von 2 klar war die Callas - absolut phänomenal, gewaltig, mir stellts grad die Haare auf. Besonders aufgefallen ist mir das Gutturale auch bei den anderen Beispielen. 3 kam mir vom Timbre her bekannt vor, erinnerte mich an Doro Schürch. Auch  1 hat mich berührt, wahrscheinlich Monteverdi. Und 5 war natürlich Cathy Berberian mit der virtuosen, comic-artigen Stripsody; umwerfend auch, wie erheitert damals das Publikum reagierte. Heute würde man das ganz anders rezipieren …


C h o r – F a c e t t e n:

1.) MONTEVERDI ENSEMBLE DES ZÜRCHER OPERNHAUSES: L'ORFEO

(Auszug, rec. 1980, Chor und Orchester d. Zürcher Opernhauses, N. Harnoncourt. ARD).

2.) LONDON VOICES: SINFONIA 1968 / LUCIANO BERIO

("Sinfonia – Ekphrasis", Auszug, rec. 2004, London Voices, Göteborgs Symphoniker, Peter Eötvös. DG-CD).

3.) SWR-VOKALENSEMBLE: RRRR

("KAGEL by Mauricio Kagel", Auszug, rec. 1984. Hänssler-CD).

4.) SÜDFUNK-CHOR STUTTGART: THE VOYNICH CIPHER MANUSCRIPT ("Hanspetr Kyburz", Auszug, rec. 1996, Klangforum Wien, Südfunk-Chor, Rupert Huber. MGB-CD).

MV: Beispiel 4 hat unheimlich viel Information, die einzelne Elemente sind kaum identifizierbar, sehr beeindruckend, für mich aber fast too much. 1 hat etwas Pavane-artiges, mit geschicktem Stimmaufbau, klingt nach Renaissance und trotzdem sehr modern. 2 wirkt sehr anspruchsvoll, auch für die SängerInnen - technisch faszinierend. Sobald atonale Harmonien drin sind, wird das Einstudieren höchst schwierig, hat mir sehr gut gefallen. 3 zeigt, was man alles machen kann, welch unglaubliche Möglichkeiten man mit einem derartig hochqualifizierten Chor hat; wirkt wie ein Übungsstück, das mir allerdings nicht so gefiel.


A L A B A M A  S O N G:

1.) LOTTE LENYA ("Brecht / Weill / Mahagony", Auszug, P. 1961, L. Lenya, voc, Orchester und Mitgl. d. Hamburger Rundfunkchors, W. Brückner-Rüggeberg. Philips-Twen-LP).

2.) DEE DEE BRIDGEWATER ("This Is New", rec. 2001, D. D. Bridgewater, voc, Thierry Eliez Trio & Band. Verve-CD).

MV: Oops, etwa 40 Jahre Unterschied, aber sie gefallen mir beide nicht: Lotte Lenya singt mir zu kleinmädchenhaft und Dee Dee Bridgewaters Weill-Programm wirkt unecht und aufgesetzt. Ich hörte sie damit mal im KKL, wo ich sie auch als Frau und Performerin nicht gut fand; früher hat sie mich sehr beeindruckt.


J a z z v o c a l  - F a c e t t e n:

1.) SIDSEL ENDRESEN: TRY ("Out There – In There", rec. 2001, S. Endresen, voc, Bugge Wesseltoft, keyboards. Jazzland-CD).

2.) JOY FREMPONG: DIV. AUSZÜGE ("ZKB-Jazzpreis 2005", rec. Moods 2005, J. Frempong, voc, Quintett Schwerer Egon. Moods-Rec.).

3.) LIZZ WRIGHT: DREAMING … ("Dreaming Wide Awake", rec. 2005, L. Wright, voc, Bill Frisell, g, a.o. Verve-Forecast-CD).

4.) SARAH VAUGHAN: HERE'S THAT RAINY DAY ("Internat. Jazz Festival Bern 1987", Sarah Vaughan, voc, a. h. Trio, SR DRS2).

magda VogelMV: Bei 1 finde ich die elektrojazzige Musik spannender als die Stimme. Kürzlich habe ich mit Susi Hyldgaard eine ähnlich tönende Stimme gehört; dieser Trend zu Gebremstheit und Belanglosigkeit sagt mir garnichts .… JA: Es gibt heute Legionen Sängerinnen, die ähnlich cool klingen und oft nicht mal gut sind, sodass man sich fragt, wie die zu Aufnahmeverträgen kommen ... MV: Wir sind ja heute in einem Backlash: Wenn du als Frau – aber auch als Mann – so aussiehst, als würdest du niemandem widersprechen, wird das in unserer Gesellschaft sehr geschätzt … 2 hat mich stark an meine erste Zeit erinnert, an die Unmittelbarkeit, auf der Bühne zu stehen und zu improvisieren - klingt nach einer jungen Sängerin, die frech, mutig und direkt viel versucht, wahrscheinlich begleitet von einer punkig-jazzigen Newcomer Band mit viel witzigem Elektronikeinsatz.  3 ist mir zu popig, obwohl die Musik ansprechend ist, und 5 ist sicher Sarah Vaughan, phantastisch! – mehr kann man dazu nicht sagen.


R o c k – P o p – F a c e t t e n:

1.) YELLO: BOSTITCH ("Yello Remaster Series – Twelve From Six", rec. 80er Jahre, Dieter Meier, Boris Blank. Universal-CD).

2.) ALBOTH: CHRISTIAN RENTSCH ("Liebefeld", rec. 1992, Peter Kraut, p, Christian Pauli, b, Michael Werthmüller, dr, Daniel Lieder, voc. PDCD-CD).

MV: Das zweite Stück ist natürlich viel spannender als das erste, eine gute Art, Elektronik einzusetzen, aggressiv, protestartig. Das erste klingt dagegen recht popig, nach den früheren Yello. Wenn das Visuelle nicht dabei ist, das sie als absolut eigene Schiene kreiert haben, fehlt natürlich etwas Wichtiges. Wer waren denn die zweite Gruppe? JA: Das war die Berner Hard-Core-Free-Rock-Gruppe "Alboth!" von 1992; Bandname und Plattentitel beziehen sich auf das ehemalige Mitglied der sogenannten CH-Geheimarmee P26 Herbert Alboth, der im April 1990, kurz bevor er P26-Material der PUK-EMD übergeben wollte, 75-jährig in Liebefeld ermordet wurde. Und das vorgespielte Stück heisst "Christian Rentsch", weil sich Drummer Michael Werthmüller einmal "schaurig" über einen Verriss von ihm geärgert hatte. MV: Unseren Auftritt in Willisau hat er damal als stromlinienförmig bezeichnet; wer sich in der Öffentlichkeit präsentiert, muss halt auch mit solchen Reaktionen rechnen …


PETER ABLINGER / NICOLAS HODGES:

PIERRE PAOLO PASOLINI ("Voices and Piano", rec. Musikprotokoll Graz 2004, Peter Ablinger, Musik, Nicolas Hodges, p, P. P. Pasolini, Stimme. SWR2).

MV: Zuerst dachte ich, eine alte Aufnahme, in der der Pianist selber rezitiert, weils so gut zusammenpasst, oder Pianist und Sprecher haben das irrsinnig gut einstudiert. JA: Das Stück ist vom 1959 geborenen Peter Ablinger, der die pianistischen Strukturen ganz aus der Melodik, Rhythmik und dem Klang der Sprache verschiedener Persönlichkeiten der Zeitgeschichte herleitete, elektronisch generierte und daraus die pianistische Partitur entwickelte. Diese auf der Sprache etwa von Hanna Schygulla, Mutter Theresa, Bertold Brecht, Mao Tse-Tung, Marcel Duchamp, Morton Feldman oder eben wie hier auf dem Redefluss von Pasolini basierenden Kompositionen spielt der übrigens hervorragende Pianist in der Live-Aufführung synchron und präzis zum parallel laufenden Band mit den Sprechaufnahmen  – ein faszinierendes Projekt!.


T e x t - M u s i k - F a c e t t e n:

1.) GOEBBELS / HARTH / LOVENS / ROELOFS: SAN SALVADOR ("Es herrscht Uhu im Land", P. 1981,  H. Goebbels, bs, A. Harth, ts, P. Lovens, b-dr, R. Riehm, voice, Chr. Anders, voice, g, org. Japo-LP).

2.) AMIRI BARAKA / LEROI JONES: I LOVE MUSIC ("New Poetry – New Music", P.1981, Amiri Baraka, voice, David Murray, sax, Steve McCall, dr. India Navigation-LP).

3.) POESIE UND MUSIK / PABLO NERUDA: DIE ADVOKATEN DES DOLLARS ("Ein Mensch kam zur Welt", rec. 1979, René Bardet, voice, g, Tini Hägler, perc, Ruedi Häusermann, fl, cl, Martin Schütz, cello, Orlando Valentini, b, g, perc. Mood Records-LP).   

MV: Bei allen drei Beispielen wirkt die Zusammenstellung ziemlich beliebig, Text und Musik sind nicht miteinander verzahnt, laufen wie zwei unabhängige Schienen, die austauschbar wirken … Heute würde man Politisches wie etwa in 3 in Rap-Form bringen.


Free - V o c a l - F a c e t t e n:

1.) HUGH RAGIN / CLARK TERRY: SPACEMAN ("Fanfare & Fiesta", rec. 2000, Hugh Ragin Trumpet Ensemble, C. Terry, mumbles, tp. Justin Time-CD).

2.) JEANNE LEE / PETER KOWALD: IN THESE LAST DAYS ("FMP Story", rec. 1988, J. Lee, voc, P. Kowald, b. FMP-CD).

3.) FRANÇOISE KUBLER: PLOC / LUCULLUS ("Total Music Meeting 2001", F. Kubler, voc, Armand Angster, reeds. FMP-CD).

4.) LES DIABOLIQUES: COME ALONG, CHARLES ("Portrait Irène Schweizer", rec. 1993, I. Schweizer, p, Maggie Nicols, voc, Joëlle Léandre, b. Intakt-CD).

5.) FREDY STUDER / AMI YOSHIDA: DUO 27 ("Duos 21-27", rec. 2004, F. Studer, dr, A. Yoshida, voice. For4Ears-CD).

MV: Bei 1 hat der scat-artige Gesang auch eine lautmalerische Komponente, die mir gut gefällt. 2 kommt eigentlich wie ein Blues daher und Sängerin und Bassist sind gut zusammen. 3 ist sehr dynamisch, sehr schön, hat eine gute Spannung zwischen den beiden. Les Diaboliques sind sehr gut aufeinander eingespielt, kreieren viel gemeinsame Energie, wirken aber live meist noch spannender … Mit 5 kann ich nicht viel anfangen, finde irgendwie keinen Zugang, ist mir fremd.


WAYNE SHORTER QUARTET:

JOY RIDER ("Beyond The Sound Barrier", rec. 2002-4, W. Shorter, sax, Danilo Perez, p, John Patitucci, b, Brian Blade, dr. Verve-CD):

MV: Total spannend, sehr musikalisch, wunderbares Zusammenspiel, sind Musiker, die seit langem zusammenarbeiten und trotzdem wirkt das nicht routiniert sondern sehr lebendig.   

 

Magda, herzlichen Dank für Deinen Besuch.

 

 


 © JAZZ 'N' MORE Nr. 6/2005
Foto 1: © Peewee Windmüller
Foto 2 + 3 zVg



zurück