Johannes Anders
Musik - Journalist
Filmpremiere "Rhythm is it":
Mitreissende Musikvermittlung
Von Johannes Anders
Seit Sir Simon Rattle 1999 von den Berliner Philharmonikern in der Nachfolge von Claudio Abbado zu ihrem sechsten Chef gewählt wurde, weht dort ein neuer Wind. Eine seiner Neuerungen, die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, wurde in einem mitreissenden Film dokumentiert, der überall grosse Begeisterung auslöst und bisher von über 40'000 Zuschauern gesehen wurde. Ende März wird der Film auch in der Schweiz anlaufen.
Das anspruchsvolle Vorhaben war, mit 250 Kindern und Jugendlichen aus 25 Nationen und vier Berliner Schulen, die meisten ohne jede Erfahrung mit klassischer und erst recht nicht mit neuerer Musik, Strawinskys epochales Ballettwerk "Le Sacre du Printemps" einzustudieren und als Krönung der intensiven, klippenreichen Arbeit zusammen mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung des charismatischen Sir Simon Rattle öffentlich aufzuführen. Phänomenal, wie der geniale englische Choreograph Royston Maldoon hartnäckig und auf Disziplin bedacht, aber mit grosser Liebe mit den Kindern arbeitet und sie über alle Höhen und Tiefen, Unsicherheiten und Zweifel auf dieser faszinierenden Reise aufblühenden Selbstbewusstseins und entdeckter Emotionalität bis zur Aufführung vor 3000 enthusiasmierten Zuschauern begleitet. Aber der Film gibt auch einmalige Einblicke in die Probenarbeit von Rattle und genial ist, wie die beiden Regisseure mit unterschiedlichen aber wirkungsvollen filmischen Mitteln die verschiedenen Ebenen der Probenarbeit mit Portraits von Dirigent, Choreograph und drei in den Vordergrund gestellten Jugendlichen zu einer leidenschaftlichen, mitreissenden Art von Gesamtkunstwerk verweben. Und bewegt verfolgt man, wie nach sechs Wochen intensiven Probens aus dem multikultuellen Schülerhaufen ein hingebungsvoll agierendes Ensemble wird. Und wunderbar am Schluss, wie die Kinder mit den Rufen "Wir habens geschafft" jubelnd durch den Backstagebereich sausen und eine beglückende, auch den Zuschauer ergreifende Freude ausstrahlen, nach Überwindung von vielen Hemmnissen, Frustrationen und Keine-Lust-mehr-Gefühlen, wie die Süddeutsche Zeitung ebenfalls begeistert berichtete. Kamera, Schnitt, Tonaufnahme und Soundqualität tun ein übriges, um beim Kinobesucher prickelnde, unter die Haut gehende Emotionalität und Begeisterung auszulösen und zu steigern.
Liebe zur Musik wecken
Frühzeitig die Liebe zur Musik wecken, davon ist erfreulicherweise europaweit mehr und mehr die Rede, denn die Beschäftigung mit Musik fördert Gemeinsinn, Kreativität und Denken und kann wie kein anderer Kunstbereich das Bewusstsein in angstfreie emotionale, magische und spirituelle Bereiche führen und die Seele öffnen. Auf sehr persönliche, aber sehr beeindruckende und überzeugende Weise erzählt auch der Dirigent Ingo Metzmacher in seinem soeben erschienenen Buch "Keine Angst vor neuen Tönen" von der Suche nach Klangerlebnissen, "die uns öffnen für die Wunder, aber auch Spannungen und Brüche in unserer Welt" (Rowohlt Berlin 2005, ISBN 3 87134 478 8, Fr. 30.10). Die Liebe zur (Neuen) Musik fördern, ist übriegens auch der Leitspruch, den Pierre Boulez mit Nachdruck bei der Gründung und für die Arbeit seiner neuen Lucerne Festival Academy postulierte. Bei all diesen (lebens)wichtigen und richtigen Überlegungen wird allerdings oft vergessen und sollte wieder einmal in Erinnerung gerufen werden, dass es eine Pädagogik gibt, in der im Rahmen der Förderung musischer Fächer die Musikerziehung, der Musikunterricht und das Erlernen mindestens eines Instruments an oberster Stelle bzw. als so gut wie möglich zu erreichendes Ziel im Vordergrund steht; gemeint sind die seit 85 Jahren existierenden Rudolf Steiner Schulen oder Freien Waldorfschulen.
Johannes Anders
"Rhythm is it" - ein Film von Thomas Grube und Enrique Sánchez Lansch mit Sir Simon Rattle, Berliner Philharmoniker, Royston Maldoom; Musik: ‚Le Sacre du Printemps‘ von Igor Strawinsky, 100 Minuten, Farbe, 35 mm, 1:1.85, Dolby Digital, 5.1 Surround Sound Sound, OV / d,f, Deutschland 2004, CH-Verleih Xenix Filmdistribution. Kinostart in der Schweiz am 31. März 2005.
DVD Bestellung via www.xenixfilm.ch
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