SOUNDS AND SILENCE
„Unterwegs mit Manfred Eicher“
Ein Film von Peter Guyer, Norbert Wiedmer
Musik: Arvo Pärt, Anouar Brahem, Eleni Karaindrou, Dino Saluzzi, Anja Lechner, Gianluigi Trovesi, Nik Bärtsch, Marilyn Mazur, Jan Gabarek, Kim Kashkashian, Camerata Orchestra Athen, Alexandros Myrat, Tallinn Chamber Orchestra, Tõnu Kaljuste, Estonian Philharmonic Chamber Choir, Filarmonica Mousiké, Savino Acquaviva.
Darsteller: Manfred Eicher. Kamera: Peter Guyer und Norbert Wiedmer. Editing: Stefan Kälin.
Sprache: Deutsch, Englisch, Französisch.
Tonformat: Dolby Digital 5.1 und 2.0. Bild: 16:9 (anamorph).
Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch. 87’. DVD Typ 9. TV-Format: NTSC.Country code: All.
Bonus material: Short film Manu Katché “Playground“ by Gildas Boclé, 6:30.
Produktion: Recycled TV AG, Biograph Film, Co-production: SRG SSR Idée suisse, 3sat / ZDF. CH 2009, DVD 2011.
(ECM/Blu-ray 5050, DVD 276 9886, Blu-ray 276 9887 / CH-Vertrieb: harmonia mundi Musicora)
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Manfred Eicher: “Das Leuchten des Klanges“
oder “Ein Musikproduzent sollte auch Musiker sein“
63. Festival del film Locarno 2009: Ein Schweizer Musikdokumentarfilm am Samstagabend auf der Piazza, das war ein besonderes Ereignis, für das zwei Jubiläen ausschlaggebend waren: Einerseits 20 Jahre „Semaine de la Critique“, die jeweils aus sieben anspruchsvollen Filmen bestehende Auswahlreihe des SVFJ (Schweizerischer Verband der Filmjournalistinnen und Filmjournalisten), und andererseits „ECM 40 YEARS“.
Unterwegs mit Manfred Eicher, dem bedeutenden Entdecker und Vermittler zeitgenössischer Musik, durch eine Welt der Töne, Klänge und Geräusche. Wir begegnen auf dieser Reise Musikern und Komponisten, aber auch Menschen und Orten, die mit ihm und untereinander in Beziehung stehen. Wir treffen auf Geschichten, Landschaften, Städte, auf Auseinandersetzung und Umarmungen, auf Beschaulichkeit, Hektik, Arbeit, Selbstzweifel, Freude, Passion, Versunkenheit. Eine Spurensuche an Konzerten, in Aufnahmestudios, in Hinterzimmern und an Wegrändern Die sensible Persönlichkeit und das phänomenale Schaffen des ECM-Gründers und bedeutenden Musikproduzenten Manfred Eicher in einem abendfüllenden Dokumentarfilm auszuleuchten, diesem höchst anspruchsvollen Vorhaben widmeten sich mit viel Engagement und Einfühlungsvermögen die beiden Schweizer Filmemacher Norbert Wiedmer und Peter Guyer. Von KritikerkollegInnen und manchen aufmerksamen und interessierten Zuschauern und ECM-Fans wurde indessen die auffallende Zurückhaltung Eichers bedauert, der sich, obwohl eigentlich Hauptperson, jeweils sehr stark im Hintergrund hielt. Den Filmemachern ging es aber auch nicht um einen Portraitfilm über die Person Eichers, sondern um seine engagierte aber ruhige Art, wie er beim Kontakt und der Zusammenarbeit mit den Künstlern und dem Realisieren bester Aufnahmebedingungen stets das Ziel vor Augen hat, den Hörern gemäss seinen Masstäben und Ansprüchen gute Musik zu vermitteln. Der auch sonst sympathisch zurückhaltende Eicher liess sich im Film aber immerhin zu einigen bedeutsamen Statements animieren, z.B., dass ein Musikproduzent auch Musiker sein sollte, dass er, um der Realität näher zu kommen, eine eigene Schule des Hörens entwickelt habe und vor allem, dass „das Leuchten des Klanges“ seine grosse Maxime sei.
„Unterwegs mit Manfred Eicher“ heisst der Untertitel dieses „musikalischen Roadmovie über den leidenschaftlichen Weg eines Musikbesessenen“, und die Orte von Eichers inspiriertem Tun sind tatsächlich global. Da wird etwa in der Nikolaikirche im estnischen Talinn Station gemacht, wo das Talinn Chamber Orchestra und der Estonian Philharmonic Chamber Choir ein Werk von Arvo Pärt proben, in Anwesenheit des theatralisch-mystisch mitagierenden Komponisten und des aufmerksamen Produzenten. Seltene lustige Komponente: Beide lassen sich hier an entsprechender Stelle der Musik einmal zu einem gemeinsamen, kurzen Tänzchen animieren. Dann gibt es in Athen Konzertausschnitte mit Musik der ECM-Filmkomponistin Elina Karaindrou, der in Tunesien lebende Oud-Spieler Anouar Brahem erzählt von seiner Musik und den verschiedenen Formen arabischer Musik und sein Anliegen konnte realisiert werden, mit kurzen Filmausschnitten auf den Bürgerkrieg im Libanon Bezug zu nehmen. Weiter manipuliert Nick Bärtsch im Zürcher Bazillus an einem Flügel und man sieht ihm unter der kritischen Ägide von Eicher beim Entstehen und Hören eigener Aufnahmen zu, und die Dänin Marilyn Mazur fasziniert mit ihrem Spiel auf einem riesigen Percussion-Arsenal. Aber auch überschäumende Spielfreude hat in diesem ansonsten weitgehend ruhig und meditativ angelegten Epos Platz, etwa mit ausufernden, freien Improvisationen des Italieners Gianluigi Trovesi, oder dem argentinischen Bandoneon-Maestro und Komponisten Dino Saluzzi daheim und mit der klassischen Münchner Cellistin Anja Lechner. Und auch weitere berühmte ECM-Exponenten sind präsent, zum Beispiel Saxophonstar Jan Garbarek und die klassische amerikanische Bratschistin armenischer Abstammung Kim Kashkashian. Generell beeindruckend, wie die im Film immer wieder auftauchenden Musiker in jeweils wechselnden Facetten gezeigt und Visualisierungselemente wie Landschaften, Strassen, Hotels, Flugzeug und ECM-Büros sinnvoll und sparsam eingesetzt werden – ein sinnliches, eindringliches, meditatives Mosaik, dem es in seiner Ganzheit gelingt, Aussergewöhnliches erlebbar zu machen, das Entstehen und die Magie der Musik einzufangen – kurz: ein Meisterwerk.
Johannes Anders
Manfred Eicher
Peter Guyer und Norbert Wiedmer
Manfred Eicher und Arvo Pärt
Gianluigi Trovesi
Manfred Eicher
Nick Bärtsch
Anouar Brahem
Arvo Pärt
Manfred Eicher
Alle Fotos: ECM