Meinung:

Fragwürdige Festivalberichte

 

Ob man nun ein Festival besucht hat oder nicht oder nur einzelne Konzerte hören konnte, als interessierter Zeitungsleser ist man jeweils gespannt darauf, wie der jeweilige Kritiker (es gibt kaum Kritikerinnen) die einzelnen Konzerte, aber vor allem auch das Festival insgesamt einschätzt und beurteilt. Seit einiger Zeit hat sich bei den Tageszeitungen die Mode eingeschlichen, nur noch über Teile eines Festivals zu berichten, so geschehen beim letzten "jazznojazz"-Festival im Tages-Anzeiger, wo über Ivan Lins und Maria Schneider nichts zu lesen war oder beim hervorragenden Festival Stanser Musiktage 2004, das im Tages-Anzeiger nur mit einem Text über Hans Kennel Erwähnung fand, der aber in keiner Weise einen Festivalbericht ersetzen konnte. Krasse und aktuelle Beispiele sind die Berichte über die letzten Taktlos-Festivals in Basel und Zürich, wo in der NZZ und im Tages-Anzeiger jeweils der 3. Festivaltag und somit ein Drittel des ganzen Festivals einfach weggelassen wurde und in der BaZ sogar nur der erste Tag und hier nur die ersten zwei Gruppen behandelt wurden und das ohne Rücksicht darauf, ob noch Festivalhöhepunkte zu erwarten und auch stattgefunden haben oder nicht. Dass in der NZZ und der BaZ jeweils einige Tage vorher Interviews mit einzelnen Bandleadern stattgefunden haben und Vorschauen erschienen sind, ist zwar lobenswert, ersetzt aber in keiner Weise einen Konzertbericht. Ob an diesen Tendenzen sparsame Zeitungsredaktionen schuld sind und/oder die Berichterstatter keine Lust hatten, Sonntagsarbeit zu leisten – meistens fallen die letzten Festivaltage auf einen Sonntag – spielt eigentlich keine Rolle. Die Misere bleibt die gleiche. Nachsatz: Dass man bei länger dauernden Festivals wie etwa dem OffBeat/JSB-Festival in Basel, dem Internationalen Jazzfestival Bern oder Montreux redaktionell Kompromisse machen muss und nicht jedes Konzert berücksichtigen kann, ist dagegen klar.

Johannes Anders

©JAZZ 'N' MORE 4/2004